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Gegen Verdrängung und Ehrenrhetorik
auf dem Soldatenfriedhof Costermano in Italien
Für eine neue Gedenktafel
Offener Brief
An Herrn Reinhard Führer
Präsident des Volksbundes
Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Zur Kenntnis
An Herrn Bundespräsident
Johannes Rau, Schirmherr des VDK
An Herrn Joschka Fischer
Bundesminister des Auswärtigen,
aus dessen Haushalt der VDK
mitfinanziert wird
Berlin und Verona, den 25. April 2004
Sehr geehrter Herr Führer,
die Arbeit des Volksbundes steht unter dem
Motto "Versöhnung über den Gräbern - Arbeit
für den Frieden". Wir, deutsche wie italienische
Unterzeichner dieses offenen Briefes, teilen mit Ihnen dieses
Ziel. Es setzt aber Wahrhaftigkeit vor der Geschichte und
den Verzicht auf militaristische "Ehrenbezeugung"
voraus. Im Fall der deutschen Soldatenfriedhöfe in Italien
fehlt es an beidem. Man verdrängt die Tatsache, dass
unter den uniformierten "Kriegsopfern", die dort
begraben wurden, auch Täter sind.
Als negatives Beispiel möchten wir Costermano
in der Provinz Verona ansprechen. In einer "Ehrenhalle"
befinden sich dort "Ehrenbücher" aus Metall
mit den eingravierten Namen der Toten - wenn auch nicht aller:
Anfang der 90er Jahre entschloss sich der Volksbund, drei
Namen schleifen zu lassen: Die von Christian Wirth, Franz
Reichleitner und Gottfried Schwarz, dreier SS-Führer,
die das Morden während des "Euthanasieprogramms"
lernten und später KZ-Leiter in Belzec, Sobibor, Treblinka,
San Sabba waren.
Diese Tilgung löst aber nicht das Problem.
In den Ehrenbüchern bleiben zu viele Namen von Angehörigen
der SS und der Wehrmachtsverbände, die Krieg "auch
gegen Frauen und Kinder" führten (so lautete der
Befehl, der die Massaker an der Zivilbevölkerung zur
Folge hatte, wie in Marzabotto oder Sant'Anna di Stazzema).
Ihre Namen stehen zudem neben denen von Soldaten, die den
Tod nicht "auf dem Feld der Ehre" fanden, sondern
durch deutsche Erschießungskommandos, weil sie mit den
Partisanen zusammen gearbeitet hatten. Oder weil sie sich
weigerten, weiter unter dem Hakenkreuz zu dienen. Einige ihrer
Verwandten erleben die späte Erwähnung in den "Ehrenbüchern"
als Hohn.
Angesichts der widersprüchlichen Schicksale
und der unterschiedlichen individuellen Verantwortung und
Schuld scheint jede Form einer pauschalen "Ehrung"
verlogen. Deswegen bitten wir Sie, solche "Ehrenbücher"
zu entfernen.
Man könnte auch auf die martialische
Sprache in den Publikationen des Volksbundes verzichten und
auf die inflationären Hinweise auf "Ehrenhallen"
und "Ehrenmale". "Gedenkhalle" oder "Mahnmal"
würden reichen. So wie es besser wäre, wenn der
Volksbund am "Volkstrauertag", in Costermano und
anderswo, nicht mehr zu "Totenehrungen" einladen
würde. Es schlichtes, mahnendes Gedenken scheint uns
angemessener.
Bei Kritik an Costermano pflegt der Volksbund
auf eine Gedenktafel hinzuweisen, die dort 1992 angebracht
wurde und mit der "der Opfer des Krieges, des Unrechts
und der Verfolgung" gedacht wird. Dieser scheinbar gutgemeinte
Text ist aber missverständlich und ungenügend, weil
er die Art des "Unrechts" nicht benennt. Im Sprachgebrauch
des Volksbundes sind alle gefallenen Uniformierten "Kriegsopfer",
also auch SS-Führer wie Wirth, Reichleitner und Schwarz.
Auf der Tafel werden sie stillschweigend mitbedacht.
Sie sollte durch eine neue Inschrift ersetzt werden, die das
erlittene Unrecht benennt. Wir schlagen folgenden
Text vor:
NIE WIEDER KRIEG
"Auf diesem Friedhof sind einige Verantwortliche
der Judenvernichtung in Europa und der Tötung von Schwachen
und Kranken beerdigt. Wir gedenken ihrer Opfer.
Wir gedenken auch der Männer, Frauen und Kinder, die
in Italien von den deutschen Besatzern ermordet wurden, und
der hunderttausende italienischer Zivilisten und Soldaten,
die unter unmenschlichen Bedingungen in Deutschland Zwangsarbeit
leisten mussten oder in den Konzentrationslagern starben.
Auf diesem Friedhof liegen auch deutsche Soldaten, die den
nationalsozialistischen Krieg ablehnten. Sie wurden als Verräter
oder Deserteure von der Wehrmacht erschossen. Einige hatten
mit den italienischen Partisanen weitergekämpft. Sie
alle werden wir dankbar in Erinnerung behalten."
Falls der Volksbund eine solche Tafel auf
dem Friedhof von Costermano nicht anbringen möchte, haben
wir als deutsch-italienische Bürgerinitiative vor, sie
in beiden Sprachen vor dem Friedhof aufzustellen.
Erstunterzeichner:
Raul Adami, Vorsitzender des Nationalverbandes
der italienischen Partisanen (Anpi) in der Provinz Verona,
Friedrich Andrae, Historiker (Hamburg), Lia
Arrigoni, Buchhändlerin (Verona), Holger
Banse, Pfarrer (Hamm-Sieg, früher Mailand),
Ludwig Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung
Opfer der NS-Militärjustiz (Bremen), David Bidussa,
Historiker (Mailand), Vittore Bocchetta,
Künstler und Schriftsteller, Vorsitzender der Italienischen
Föderation der Partisanenverbände (Fiap) in der
Provinz Verona, Paola Bonatelli, Journalistin
(Verona), Ferdinando Camon, Schriftsteller
(Padua), Valter Cardi, Verein der Familienangehörigen
der Opfer des Massakers von Marzabotto, Oddino Cattini,
Partisan, Freund eines in Costermano begrabenen Soldaten (Reggio
Emilia), Franco Ceccotti und Galliano
Fogar, Regionalinstitut für die Geschichte der
Befreiungsbewegung in Friaul-Julisch Venetien (Triest), Enzo
Collotti, Historiker, (Florenz), Vilmo Del
Rio, Bürgermeister von Albinea (Reggio Emilia),
Bruno Enriotti, Direktor der Stiftung für
die Erinnerung an die Deportation (Mailand), Emilio
Franzina und Maurizio Zangarini, Institut für
die Geschichte des Widerstandes und Zeitgeschichte (Verona),
Carlo Gentile, Historiker (Köln), Max
Giacomini, Vorsitzender des Nationalverbandes ehemaliger
Militärinternierten in den NS-Lagern (Anei, Rom), Gabriele
Hammermann, Historikerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin
der KZ-Gedenkstätte Dachau (München), Friederike
Hausmann, Publizistin und Übersetzerin (München),
Kornelia Kerth und Heinrich Fink,
Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
- Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA, Berlin), Peter
Kammerer, Soziologe (Urbino), Erich Kuby,
Schriftsteller und Journalist (Venedig), Annelies
Laschitza, Historikerin, (Berlin) Gianfranco
Maris, Vorsitzender des Nationalverbandes der ehemaligen
politischen Deportierten in den NS-Lagern (Aned) und Direktor
des Nationalinstituts für die Geschichte der Befreiungsbewegung
in Italien (Mailand), Eva Mendl, Bezirkskulturätin
in Treptow-Köpenick (Berlin), Valter Merazzi,
Institut für Zeitgeschichte (Como), Hans-Rüdiger
Minow, Journalist (Köln), Enzo Orlanducci,
Generalsekretärs des Nationalverbandes ehemaliger Kriegsgefangenen
und Internierten (Anrp, Rom), Edith Pichler,
Soziologin (Berlin), Maura Sala, Dokumentatioszentrum
Hitlers Sklaven (Cernobbio), Hans-Rainer
Sandvoß, Historiker (Berlin), Sebastiano
Saglimbeni, Journalist und Schriftsteller (Verona), Adolfo
Scalpelli, Journalist und Historiker (Mailand), Eva
Schmidt-Watschkow, Tochter eines in Costermano begrabenen
Soldaten (Berlin), Gerhard Schreiber, Historiker
(Gundelfingen-Wildtal), Christoph Schminck-Gustavus,
Rechtshistoriker (Bremen), Heinrich Senfft,
Rechtsanwalt (Hamburg), Frediano Sessi, Schriftsteller
und Essayst (Mantua), Willi Sitte, Maler
und Grafiker, Partisan in Italien (Halle), Anneliese
Steinkühler (Berlin), Manfred Steinkühler,
früher Generalkonsul in Mailand (Berlin), Manfred
Teupen (Mailand), Gisela Wenzel
und Cord Pagenstecher, Berliner Geschichtswerkstatt,
Giuseppe Zanetti, Anpi-Vorsitzender in Caprino
Veronese, Gerhard Zwerenz, Schriftsteller (Schmitten).
Absender im Auftrag der Unterzeichner: Guido
Ambrosino, Paul-Lincke-Ufer 7, 10999 Berlin, Tel. (0049.30)
61073101 g.ambrosino@t-online.de Mit der Bitte weitere
Unterschriften an diese Adresse zu schicken. |